Enjina

Enjina - meine digitale Partnerin


Manuskript

Ich hatte mich endlich dazu entschlossen, nachdem ich so viel gelesen und gehört hatte über die Vorteile einer digitalen Partnerschaft. Anfänglich fand ich den Gedanken nur ziemlich verrückt, aber neugierig war ich die ganze Zeit schon. Und nachdem die Entwicklung in den letzten Monaten wirklich rasant voranschritt und gleichzeitig die Preise sanken, wollte ich es nun wissen und meine eigenen Erfahrungen machen.

Bislang kannte ich niemanden persönlich, der mir von seinen Erfahrungen berichten konnte oder bei dem ich mich erkundigen konnte. Vielleicht würden durch die letzten Fortschritte mehr Menschen und Familien digitale Partner zu sich nehmen. Noch stehen wir wohl am Beginn dieser Revolution.

Die neuesten Modelle sogenannter menschlicher Roboter oder Avatare sind wirklich ein Quantensprung bezüglich Technologie und Aussehen. Sie scheinen von echten Menschen oder Tieren nicht mehr zu unterscheiden zu sein. Ja, man kann auch Haustiere oder Fantasiewesen als solche Roboter erwerben, was insbesondere bei Kindern immer beliebter wird.

Ich sollte vielleicht sagen, dass ich seit längerer Zeit Single bin und die Zeit alleine grundsätzlich sehr schätze. Meine Erfahrungen mit weiblichen Partnerschaften waren nicht gerade sehr angenehm in meiner Erinnerung. Jedenfalls entsprachen sie nicht meinen Erwartungen. Anfänglich schon, aber im Laufe der Zeit immer weniger. Die Zeiten des Streites, der Enttäuschung und des Ärgers überstiegen diejenigen der Freude und des Gemeinsinns zusehends, was ich nicht akzeptieren konnte und wollte. Vielleicht liegt es an mir und meinen Vorstellungen, darüber will ich aber jetzt gar nicht mehr urteilen.

Vorausschicken muss ich auch, dass ich meine Wohnung bereits weitestgehend digitalisiert habe. Alle Geräte sind miteinander und über mein Netzwerk verbunden. Seit einigen Jahren gibt es kosten- und kabellosen Strom und das Internet läuft über dezentrale Netze, die sicher sind und vor allem ultraschnell. Von technischer Seite her betrachtet, ist also alles vorbereitet für einen elektronischen Mitbewohner.

Ich habe mich entschieden, einen digitalen Partner anzuschaffen, um nicht immer nur alleine zu sein. Aber in erster Linie bin ich neugierig und will wissen, wie das ist. Ob die Kritiker oder die Enthusiasten Recht haben. Die vielen Vorteile sind ja in erster Linie rational, und natürlich wird man immer im Kopf haben, dass es sich um eine Maschine handelt.

Da ich durch die ganzen gesellschaftlichen Veränderungen in der Lage bin, zuhause zu arbeiten und das nach Lust und Laune, kann mir ein digitaler Partner sicher auch gut assistieren und helfen.

Es gibt ja mittlerweile eine ganze Reihe von seriösen und guten Anbietern, die alle möglichen Arten solcher Roboter herstellten bzw. vertrieben. Ich habe mich nicht für den preisgünstigsten entschieden, sondern für die Möglichkeit, mir das äußere Erscheinungsbild des zukünftigen Mitbewohners frei zusammen zu stellen. Also Geschlecht, Körpergröße, Hautfarbe, Aussehen und natürlich Basisprogrammierung und Programmierungsmöglichkeiten. Durch das sogenannte 'machine learning' oder 'deep learning' sind diese Roboter in der Lage, sich flexibel an jedes Umfeld anzupassen und ihre Grundprogrammierung flexibel zu entwickeln, so dass sie sich hundertprozentig auf ihre entsprechende Umgebung und ihren Besitzer einstellen. Die Fortschritte der Künstlichen Intelligenz sind beeindruckend. Vielen Menschen macht das Angst, aber ich finde es spannend.

Es gibt eine Auswahl an Basisprogrammierungen. Man kann ganz einfache Modelle erwerben, die sich z.B. hauptsächlich auf sexuelle Nutzung beschränken. Sie kombinieren erotisches Aussehen und Verhalten mit der Fähigkeit, zu lernen, worauf der Besitzer steht und was er wann möchte. Andere sind eher Haushaltsgehilfen und können die Wohnung sauber halten und bei anderen Heimarbeiten assistieren. Wieder andere übernehmen die Aufgaben einer Sekretärin oder Büroassistentin. Natürlich gibt es auch die entsprechenden männlichen Varianten.

Aber es gibt auch anspruchsvolle Gesellen, die neben Sex vor allem darauf abgestimmt sind, mit einem hohen Grundwissen, also sozusagen einer hohen Ausbildung, effektiv zu kommunizieren und sich im Wissen und Lernen auf den Geschmack und die Ansprüche des Eigentümers einzustellen. So soll man mit diesen Maschinen auch philosophische Gespräche führen können und sie dazu bringen, sich für die Interessensgebiete des Besitzers zu ereifern.

Ich will ehrlich sein. Das Äußere war mir natürlich wichtig. Ich wollte nicht eine Barbiepuppe von der Stange und nicht nur irgendeinen unpersönlichen elektronischen Butler im Haus, ich wollte eine Maschine, die ich schön finde, und deren Anblick mich erfreut. Solch eine habe ich gefunden.

Entsprechend habe ich mir eine angenehme Stimme ausgewählt und eine attraktive Körperform. Und wenn ich dieses Experiment schon angehe, dann soll mein Roboter auch geistige Fähigkeiten mitbringen. Ich will also auch oder vor allem intellektuell-kommunikativ mit ihr interagieren können.

Manche Leute mögen es, sich bekannte Persönlichkeiten zu bestellen, Schauspieler/Innen oder Sänger/Innen. Oder sie leben mit Fantasiegestalten, Aliens oder eben Tierrobotern zusammen.

Für mich steht fest, ich will meine Traumfrau, und so habe ich sie nach Sichtung vieler Modelle gefunden und entsprechend geordert.

Nun bin ich hoch gespannt, denn die Wartezeit von knapp drei Wochen ist vorüber. Sie wir heute geliefert.

Ich habe auch bereits einen Namen gefunden: Enjina.

Ich bin ein wenig aufgeregt. Nicht so, wie vor einem echten Date, aber trotzdem irgendwie ein wenig unsicher und gespannt.


Fortsetzung folgt